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Jeder, selbst der seriöseste Tierschützer, hat seine ganz individuelle Auffassung von Tierschutz.

in
Tierschutz und Co 26.07.2011 15:54
von mspeet | 108 Beiträge | 108 Punkte

http://www.feifar.de
Jeder, selbst der seriöseste Tierschützer, hat seine ganz individuelle Auffassung von Tierschutz.

Ich versuche immer wieder den Standpunkt von Far from Fear zu verdeutlichen und möchte auch mit diesem Text auf unserer Seite versuchen unsere Philosophie ein bisschen deutlicher zu machen.
Far from Fear wurde 2001 gegründet, um es so schnell wie möglich wieder aufzulösen. Soll heißen, wir wollten von Anfang an nicht nur Tiere retten, sondern wir wollten (und wollen noch immer) die Situation in Spanien verbessern, Menschen aufklären, das Image der in ihrem Heimatland "ungeliebten Galgos" verbessern, sensibilisieren, ausgewählte Tierschützer vor Ort nach Kräften unterstützen.
Auf unserer Fahne stand und steht auch, dass wir Tiere nicht nach ihrer Vermittelbarkeit aussuchen und aufnehmen, sondern uns besonders um die kümmern, die sonst niemand haben will, weil sie zu krank, zu alt oder in der medizinischen Betreuung zu teuer sind.
Ob die Nasen taub, blind, behindert oder krank sind - unsere spanischen Partner wissen, dass sie mit den Sorgen um solche Hunde nicht allein gelassen werden. Seit fast 10 Jahren wird bei unseren Partnern kein Hund wegen Leishmaniose mehr eingeschläfert. Warum ? Weil es Far from Fear gibt.
Wir garantieren, dass auch diesen Hunden geholfen wird.
Ich möchte auch erklären warum wir nur mit festen spanischen Partner, die absolut zuverlässig sind, arbeiten.
Niemand kann die ganze Welt retten und wer permanent und wahllos nur dort "zugreift" wo mit Tötung gedroht wird, verzettelt sich nicht nur, sondern hilft eigentlich langfristig gar nicht. Sicher ist dann der einzelne Hund in Sicherheit, aber damit endet die Rettungsaktion auch schon.
Ja, jedes Leben ist kostbar, aber dürfen wir dabei das Ganze außer Acht lassen ?
Ermuntert man damit die Leute vor Ort nicht dazu einfach ein "Sterbedatum" aufs Bild zu kleben, weil's dann besonders schnell geht und man sich erstmal wieder zurück lehnen kann ? Führt man damit nicht Menschen in Versuchung aus reinem Mitleid einen Hund aufzunehmen, den sie eigentlich weder wollen noch halten können ?
Mitleid kann ein gefährlicher Ratgeber sein und sehr sehr oft, wenn Hunde in unsere Obhut gelangen, die nicht von unseren Partnern kommen, sind es Hunde von Menschen, die sich dazu verleiten haben lassen nur aus Mitleid zu handeln und dann völlig überfordert sind.
"Als ich im Urlaub war, hab ich ihn/sie gesehen und musste ihn/sie einfach mitnehmen. Aber mein Vermieter erlaubt keine Hunde und eigentlich bin ich auch allergisch ..."
Typische Aussagen von "Rettern".
Wir wissen, es klingt sehr dramatisch, wenn man 10 Nasen fotografiert und drunter schreibt "Wenn sie nicht bis
zum xx.xx. gerettet werden, müssen sie sterben" und sobald man ein "Gesicht" dazu hat, will man automatisch sofort was tun, aber viele von den Hunden, die schon lange tot sein müssten, sind immer noch am Leben und bekommen dann regelmäßig "gerade nochmal die Frist verlängert" und landen im nächsten Panikmail.
In staatlichen Perreras werden aber keine Fristen verlängert.
Hunde, die einen Termin haben, werden getötet.
Viele dieser ”Retter” haben noch nie ernsthaft versucht mit privaten Tierschützern in Spanien Kontakt aufzunehmen,
um so einen Teil der Hunde aus der unmittelbaren Gefahr zu bekommen. Sie wissen, dass sie dann mehr tun müssen als Mails zu verschicken.
Die berechtigten Auflagen der privaten Tierheime sind ihnen zu streng, zu mühsam.
Es ist einfacher Mitteleuropäer zu finden, die man mit "wird getötet" so sehr erschrecken kann, dass sie auf nichts anderes mehr achten.
Selbstverständlich wollen wir nicht alle Menschen, die Tieren helfen, in einen Topf werfen, aber wenn man mit den Panikmailern aus Spanien näheren Kontakt aufnimmt, trennt sich sehr schnell die Spreu vom Weizen.
Und es bleibt sehr viel Spreu ....
In Spanien sind die Organisationsstrukturen der Tierschützer mittlerweile sehr gut und Netzwerke sind entstanden, die es auch privaten Tierschützern ermöglichen ihre Schützlinge über große Orgas unter zu bringen.
Unsere spanischen Partner werden in Deutschland oft als "nicht der Hilfe wert" angesehen, weil es ihnen ja ohnehin so gut geht und die vielen, armen, kleinen Perreras und Tierschützer ja mehr Hilfe brauchen ...
Dabei wird übersehen, dass gerade unsere Tierheime den Hauptanteil ihrer Hunde von diesen "armen, kleinen Perreras" übernimmt. Und es wird übersehen wie steinig und mühsam der Weg zu dieser Tierschutzqualität war und oftmals immer noch ist.
Diese Tierschützer, die heute als "denen geht’s doch gut" oftmals links liegen gelassen werden, haben nicht nur Panikmails geschrieben ...
Sie haben die Ärmel hochgekrempelt und aus Nichts etwas gemacht. Niemand hat ihnen was geschenkt.
Die Anfänge waren private Wohnungen und Häuser, Garagen, Schuppen zur Unterbringung der Tiere,
Betteltouren, auf unwirtlichstem Gelände erste Zwinger, Handarbeit, viel viel Schweiß, viel Enttäuschung, aber der unbändige Wille Tierschutz RICHTIG zu machen.
Hinter den Tierheimen von z.B. ANAA, ALBA oder BERGA stecken unzählige Jahre harte, härteste Arbeit.
Diese Vereine unterstützen spanische Tierschützer, die Tierschutz ebenfalls ernst nehmen, sie leisten logistische
und finanzielle Unterstützung und nehmen immer wieder Tiere von ihnen auf.
Wenn wir heute Hunde von unseren Partnern aufnehmen, sind diese oft aus kleinen Perreras, wo sie auf ihre Tötung gewartet haben. Sie waren allerdings nie in einem Panikmail, sondern werden, wann immer es möglich ist, aus den Tötungsstationen geholt und von den "Großen" aufgenommen, medizinisch versorgt und gehen dann den normalen Vermittlungsweg.
Und ja, es sind auch bei unseren Partnern absolut bemitleidenswerte, furchtbare Schicksale dabei, aber niemand droht mit Tötung und es geht auch niemand von unseren Partnern aktiv auf die Jäger zu, um ihnen die Hunde "abzuschwätzen" und somit beim Jäger wieder Platz zu schaffen für die nächsten ...
Genau das passiert leider bei “Rettern” häufig. Es wird den Jägern die goldene Brücke gebaut "Gib mir deine ausgemusterten Hunde und du musst dir keine Sorgen mehr machen" ...
Unsere Partner gehen den anderen, wieder den steinigen, aber, nach unserer Ansicht, langfristig richtigen Weg.
"Du kannst uns deine Hunde bringen, aber du wirst deine Verantwortung nur los, wenn du dich an den notwendigen Kosten für die medizinische Versorgung beteiligst".
Jetzt werden vielleicht Einige sagen "Das funktioniert doch nie im Leben"
DOCH - wenn man parallel dazu politisch aktiv ist, sozialpolitischen Druck aufbaut und immer wieder das Gespräch sucht, wenn man in Parteien, Schulen, auf Veranstaltungen präsent ist, wenn man mit den Behörden zusammen arbeitet (auch wenn das manchmal unendlich mühsam ist), wenn man die Landbevölkerung sensibilisiert, wenn man Moral umdefiniert.
Moral ist nämlich nichts Anderes, als die Summe gesellschaftlicher Vereinbarungen.
Wenn es also moralisch als nicht verwerflich gilt Hunde aufzuhängen, wird es getan.
Sobald sich die Moralvorstellung durch intensive Aufklärungsarbeit ändert, ist es plötzlich doch verwerflich und öffnet Türen für andere, vernünftige Lösungen.
Für Viele ist Tierschutz immer hektisch, muss schnell gehen, ein Wettlauf mit dem Tod ...
Aber Tierschutz MUSS mehr sein!
Die Zeit, die Umgebungsvariablen zu verändern MUSS da sein, sonst ändert sich langfristig nichts.
Und hier kommen wir zu der Weggabelung "Schwarze Schafe" - mit schwarzen Schafen meine ich nicht die Leute, die den, nach unserer Ansicht, falschen Tierschutzweg gehen (siehe oben), sondern die, die erkannt haben, dass das Mitleid der Menschen eine wunderbare Einnahmequelle sein kann. Die, die auf Bestellung gezielt "Galgos bei Jägern kaufen", die Spendenaufrufe starten und die Hunde dann - wenn die Quellen versiegen - "sterben lassen". Meist erfährt man auf Nachfrage nicht einmal wo sich die Tiere eigentlich befinden/befunden haben.
Wenn Sie finanziell helfen wollen - und diese Hilfe ist unbedingt erforderlich, um all das Elend in den Griff zu bekommen - dann sollten Sie, wenn Unklarheiten bestehen, immer nachfragen.
Normalerweise wird bei seriösen Spendenaufrufen das wie/wann/wo immer offen gelegt und es gibt Ansprechpartner.
Die "arme Nase", die unerreichbar in einer Perrera sitzt, wo nur alle paar Wochen mal ein Tierschützer rein darf
und wo es keine Ansprechpartner gibt, weil alle Perrera-Mitarbeiter unkooperativ sind, die aber gleichzeitig
unbedingt Geld für eine OP braucht, gibt es nicht.
Wenn man nicht in die Perrera kommt, kann ein Hund auch nicht operiert werden.
Das Tierheim, das dringend Geld für Futter braucht, aber keine Rechnungen vorweisen kann, gibt es nicht (auch in Spanien bekommt man Belege).
Auch wir sichern uns immer 100%ig ab, bevor wir Spendengelder nach Spanien schicken und haben - hier ein weiterer Vorteil von festen Partnern - in all den Jahren soviel Vertrauen aufgebaut, dass wir absolut sicher sein können, dass das Geld genau da ankommt wo es hin soll und muss. Genau wie die spanischen Partner sich darauf verlassen können, dass wir die Hunde, die sie uns anvertrauen, nicht im Stich lassen.
Ja, ich habe geschrieben "die sie uns anvertrauen", denn keinem echten Tierschützer ist es egal was mit den Hunden passiert. Kein Tierschützer, der seine Verantwortung ernst nimmt denkt "Hauptsache sie sind raus aus dem Tierheim" oder "Hauptsache vermittelt".
Qualität statt Quantität.

Wir Alle wissen, dass die Verantwortung, die wir übernommen haben, eine sehr weitreichende ist.

Es geht nicht um irgendwelche Gebrauchsgegenstände, sondern um Lebewesen und da niemand von uns vor menschlichen Schwächen, Schicksalsschlägen oder dieser furchtbaren Resignation, die oftmals mit dieser Arbeit einhergeht, gefeit ist, versuchen wir mit allen Mitteln und Kräften das sichere Umfeld, das wir für unsere Schützlinge geschaffen haben, zu erhalten.

Niemand wird bei uns schief angesehen, wenn er den Rahmen dessen, was er zu tun bereit ist, genau absteckt. Niemand muss ein Tausendsassa in Sachen Tierschutz sein.
Niemand wird als Schwächling eingestuft, weil er z.B. keine kranken Tiere aufnehmen möchte, weil er sich damit überfordert fühlt etc.

Tierschutz braucht nicht nur Multitalente.
Tierschutz braucht viele, viele Spezialisten, die ihr Können genau da einbringen, wo es gebraucht wird.
Manchmal ist schon eine nutzbringende Antwort zu einer unserer "Expertenfragen" super wichtig und rettet
vielleicht sogar ein Leben.

Man muss nicht höchstpersönlich nach Spanien fahren und Dutzende Hunde einfangen und anschließend eigenhändig operieren und vermitteln, um guten Tierschutz gemacht zu haben.
Man muss sich nicht total übernehmen, um ein guter Mensch zu sein.
Im Rahmen der persönlichen Möglichkeiten ein sinnvolles Glied in der Kette zu sein - das ist guter und
vernünftiger Tierschutz.

Und die Kette muss stark sein, stark genug, um auch außergewöhnlichen Belastungen stand zu halten.
Wenn Glieder dieser Kette Tierschutz-Hopping betreiben, also sich immer dort einfügen wo es gerade am Interessantesten, am Schönsten, am Angenehmsten, wo die meiste Aufmerksamkeit zu erzielen ist, wird die
Kette instabil.

Die beste aller Varianten ist, wenn sich mehrere Ketten verflechten und so eine unzerstörbare Kraft entwickeln.
Das ist leider fast immer unmöglich, da die Interessen verschiedener Orgas oftmals sehr unterschiedlich sind. Gänzlich unmöglich ist es aber nicht. Es bedarf allerdings viel Feingefühls und auch eines gewissen Maßes an Kompromissbereitschaft.

In vielen Köpfen ist bedauerlicherweise ein starkes Konkurrenzdenken verankert.
Es geht nicht generell um DIE Tiere, sondern ausschließlich um die EIGENEN Tiere.
"Wenn da der Hund von der Orga XY hingeht, dann nehmen die keinen Hund von meiner Orga"
Auf den ersten Blick vielleicht noch verständlich, unter übergreifenden Gesichtspunkten natürlich falsch.
Wenn die eigene Vermittlungsstatistik wichtiger wird als das Wohl der Tiere und der Menschen, die Tiere aufnehmen, läuft man in die falsche Richtung.

Wir haben oft den Fall, dass sich Familien für einen Hund interessieren, aber von unseren Hunden keiner so wirklich passt. Dass wir solchen Familien dann befreundete Vereine empfehlen ist selbstverständlich. Auch, dass wir Hunde anderer Vereine auf unseren Seiten vorstellen. Wir bieten ja keine identischen roten Norwegerpullover an, sondern Individuen, die von Individuen gesucht werden. Und der Deckel soll möglichst genau auf den Topf passen.
Es macht keinen Sinn jemandem, der einen Dackel sucht den Labrador schön zu reden, nur weil man selbst im Moment keinen Dackel in der Vermittlung hat und die 20 Dackel einer anderen Orga bei der Beratung "unterschlägt".

Natürlich freuen wir uns, wenn eine unserer Nasen ein tolles Zuhause findet, aber wenn es nicht klappt, freuen wir uns für die Nase, die es schafft - von welcher Orga auch immer - genau so.
Selbst dann, wenn wir von einer Orga nicht so überzeugt sind, denn letztlich geht es um das Tier und nicht um unsere Sympathien und Antipathien.

Nein, ich bin nicht der "Übermensch", der frei von jeglichen negativen Emotionen mit Heiligenschein rumsitzt und nur Alle glücklich machen möchte ...
Ich bin oft und oft nahe an der Explosion, es gibt Tage, da bin ich so wütend, dass ich mir selber nicht zu nahe kommen möchte. Es gibt Tage, da interessiert mich all das, was ich jetzt geschrieben habe, nicht und ich möchte mit Tierschutz nichts mehr zu tun haben, aber letztlich versuche ich immer rechtzeitig die Notbremse zu ziehen und mich auf das Wesentliche zu konzentrieren - die Tiere.

Tierschutz ist nicht mein Hobby und Far from Fear wurde nicht gegründet, damit ich ein Sternchen im goldenen Buch bekomme und lässig über die Regenbogenbrücke marschieren kann, weil ich ein "ach so guter Mensch" war.

Far from fear wurde für die Tiere gegründet, die dringend eine "Anwaltskanzlei" brauchten und die Handvoll Menschen, die 2001 die Gründungsmitglieder waren, waren gute und engagierte Anwälte und haben im Laufe der Zeit immer mehr Anwälte gewinnen können.

Die Tiere haben uns mit einem Job beauftragt, den wir - auch ohne "Advocard" - so gut, wie es in unseren Kräften steht - erledigen müssen/dürfen. Und wenn - irgendwann - der Tag kommt, an dem sie uns nicht mehr brauchen,
weil die Welt sich geändert hat, weil sie endlich gleichberechtigte Mitgeschöpfe sind, dann können wir unser Mandat beruhigt zurück legen.
Ich fürchte nur, das wird noch ein wenig dauern ...


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